
Jagd-/Arbeitshunde – kleine Energiebündel mit grossem Charakter
In der Hundewelt stolpert man immer wieder über die Begriffe «Jagd- und Arbeitshunderassen». Und tatsächlich: Viele dieser ursprünglich für harte Jobs gezüchteten Vierbeiner sind heute beliebte Familienhunde – und auch bei Hundumgsund in den Erziehungskursen und beim Mantrailing gern gesehene Gäste. Allerding: Besonders in der Pubertät zeigen diese Hunde gern, was wirklich ihn ihnen steckt. Sobald die Hormone reinknallen, wird das Zusammenleben zur Herausforderung.
Meine Kollegin Simona und ich unterhielten uns kürzlich genau darüber. Sie erzählte, dass ihre Wolfshunde-Mixe als Welpen eigentlich recht entspannte Zeitgenossen waren – bis die Pubertät kam. Danach, so ihr Eindruck, wurde es… sagen wir mal: interessant.
Ich schaute dabei meine eigene Jagdhündin an und konnte nur schmunzeln. Meine Erfahrung: Jagdhundewelpen sind etwa 3 Wochen lang Zucker pur – und danach fragt man sich für die nächsten drei Jahre immer wieder: «Um Himmels Willen, was habe ich mir da nur angetan?».
Was steckt drin in Jagd- und Arbeitshunderassen
Jagd- und Arbeitshunderassen bringen gewisse Extras mit und aus züchterischer Sicht macht das sogar richtig Sinn. Nehmen wir zum Beispiel den Border Collie, den Australian Shepherd und den Australian Cattle Dog. Alles beliebte Familienhunde.
Border Collies stammen aus der Grenzregion zwischen Schottland und England und waren dort die unermüdlichen Arbeiter, die Schafe in Schach hielten. Der Australian Shepherd – trotz seines Namens – kommt hingegen aus den USA, hat seine Wurzeln aber bei den australischen Hütehunden.
Beide Rassen haben eine Spezialdisziplin. Während Border Collies grundsätzlich auf Abstand agieren und ihre Herde intensiv mit Blicken und fixierendem Auftreten lenken („auf Auge“ nennt man das), sind die „Aussies“ etwas lockerer unterwegs – näher dran an der Herde, weniger auf Auge, aber immer noch hochkonzentriert.
Der Australian Cattle Dog wiederum wurde für das Treiben von Rindern gezüchtet. Kein einfacher Job! In seine Adern mischte man sogar Gene von Dingos, damit sie – anders als die bellfreudigen Schäferhunde – lautlos arbeiten konnten. Die sogenannten „Silent Heelers“ schlichen sich lautlos an und zwickten die Rinder dann gezielt ins Hinterbein, um sie in Bewegung zu bringen, möglichst ohne selbst getreten zu werden. Eine ziemlich clevere, flache Annäherungstaktik rettete ihnen dabei oft das Fell.
Diese Verhaltensweisen wurden über viele Generationen hinweg gezielt gefördert und sind auch heute noch tief in ihren Genen verankert. Selbst wenn die meisten dieser Hunde heute als Familienmitglieder auf dem Sofa liegen.
Ähnliches gilt für Jagdhunde. Während Vorstehhunde wie der Kleine Münsterländer wunderbar mit ihrem Jäger zusammenarbeiten und Wild anzeigen, sind andere – etwa Laufhunde oder Terrier – lieber auf eigene Faust unterwegs.
Und Terrier? Nun ja, die legen im Zweifelsfall einen Zahn zu und kämpfen bis zum Schluss. Manchmal auch bis zum bitteren Ende der Beute.
Wie Jagd- und Arbeitshunde ticken und warum Ruhe genauso wichtig ist wie Action
Egal ob Jagd- oder Arbeitshund: Eines haben sie alle gemeinsam: sie sind Spezialisten, wenn es darum geht, auf Reize zu reagieren.
Ob beim Jagdhund das Wild auftaucht oder beim Hütehund eine Bewegung am Horizont – von null auf hundert im Bruchteil einer Sekunde sind sie bereit, loszulegen. Manchmal reicht dafür schon ein Fahrrad oder ein Auto am Horizont, der Hund ist längst im «Einsatzmodus». Im Kopf läuft dann nicht etwa ein gemütlicher Spaziergang, sondern die Mission: Objekt jagen oder hüten!
Wichtig dabei: Gerade Jagd- und Hütehunde müssen draussen immens viele Reize verarbeiten – optische, akustische und geruchliche. Das kostet enorm viel Energie. Oft sieht man dann, wie junge Hunde – gerade zuhause nach dem Spaziergang – nochmals voll aufdrehen und vermeintlich gar nicht müde sind. Wichtig zu wissen ist, dass Stress bei Jagd- und Arbeitshunden oft über die Beine abgebaut wird. Sie müssen also je nach dem noch ein paar Minuten rumrennen, um herzunterzukommen.
Hier ein wichtiger Rat: Man muss einen Hund nicht müde spazieren – man muss ihm helfen, Reize zu verarbeiten und angemessen darauf zu reagieren. Denn was diese Hunde oft wirklich brauchen, ist weniger Action und mehr clevere Beschäftigung oder bewusste Ruhephasen.
Spezialtalente im Einsatz – aber bitte dosiert
Schon im Welpenalter fangen Jagdhunde damit an, ihre Nase einzusetzen. Manche – wie Beagle – sind dabei echte Bodenexperten und nehmen jede Spur auf, die sich bietet. Andere, wie Setter, haben eher die Nase hoch und erschnüffeln Wild in der Luft, über den Hochwind.
Für uns Menschen ist es manchmal gar nicht so einfach zu erkennen, ob der Hund gerade eine frische Wildspur verfolgt oder einfach nur die läufige Hündin aus der Nachbarschaft.
Aber egal, welche Spur: Schnüffeln verbraucht enorm viel Energie. Gerade junge Hunde brauchen danach unbedingt Ruhe, um das Gesehene, Gehörte und Erschnüffelte zu verarbeiten.
Was hilft? Wir können unseren Jungspunden beibringen, auf Reize angemessen zu reagieren. Nicht jedes Mal von null auf hundert und direkt losstürmen, sondern mit Mass zum Ziel.
Dazu gehört, sie typgerecht zu beschäftigen. Ob Mantrailing, Dummyarbeit oder eine andere, für die Rasse passende Aufgabe – Hauptsache, der Hund darf seinen angeborenen Spezialeffekt ausleben, ohne überfordert zu werden.
Aber Achtung: Nicht jeder Hund passt zu jeder Aktivität!
Ein Retriever blüht vielleicht beim Apportieren auf, während ein typischer Jagdhund im Mantrailing seine Berufung finden könnte – oder auch nicht, je nach Charakter und/oder Alter.
Und für einen Hütehund könnte Longieren eine tolle Möglichkeit sein, seine Talente sinnvoll einzusetzen.
Kurz gesagt: Jeder Hund ist anders und braucht eine individuelle Einschätzung durch einen erfahrenen Trainer oder Trainerin. Ob mehr Beschäftigung oder mehr Ruhe nötig ist, hängt immer vom einzelnen Hund ab und sollte immer genau beobachtet werden.
Fazit: Spezialisten auf vier Pfoten – mit Köpfchen begleiten
Jagd- und Arbeitshunderassen bringen nicht nur beeindruckende Fähigkeiten mit, sondern auch einen ganz besonderen Charakter.
Wer sich für einen dieser energiegeladenen Vierbeiner entscheidet, bekommt einen Partner, der begeistert arbeitet, schnell lernt – und manchmal eben auch ein bisschen zu enthusiastisch ist. Wichtig ist deshalb, die Talente der Hunde richtig zu lenken: Reize dosieren, Beschäftigung klug wählen und genauso viel Wert auf Ruhe und Verarbeitung legen wie auf Action.
Ob Retriever, Hütehund oder Terrier – am Ende zählt nicht nur, was der Hund leisten kann, sondern auch, wie wir ihn im Alltag unterstützen, damit aus Energie keine Überforderung wird.
Mit einem guten Gespür für die Bedürfnisse unserer Hunde und ein bisschen Humor für die wilden Momente im Alltag entsteht genau das, was wir uns alle wünschen: ein eingespieltes Mensch-Hund-Team, das gemeinsam durch dick und dünn geht.
Und ja, manchmal fragt man sich auf dem Weg dahin vielleicht kurz: „Was habe ich mir da angetan?“ Aber meistens lautet die Antwort: „Genau das Richtige.“


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